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München – «Aloha» ist ein schönes Wort. Der hawaiianische Gruß steht für Liebe, Freundlichkeit oder Mitgefühl. Für den 42 Jahre alten Polizeioberkommissar Jürgen Prichta steht er noch für viel mehr: 2008 verbrachten seine Frau und er ihre Flitterwochen auf Hawaii.

«Das war traumhaft», sagt er. So traumhaft, dass er die Erinnerung daran auf seinem Körper verewigen und sich einen «Aloha»-Schriftzug auf den linken Unterarm tätowieren lassen wollte. Doch das darf er nicht.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat es ihm höchstrichterlich verboten (Az.: 3 BV 16.2072). Das Urteil ist rechtskräftig, weil die Revision nicht zugelassen wurde – und es hat grundsätzliche Bedeutung für alle Polizisten in Bayern. Sichtbare Tattoos dürfen sie – anders als beispielsweise ihre Kollegen in Berlin oder Baden-Württemberg – weiterhin nicht tragen.

Bestimmungen zum äußeren Erscheinungsbild

Der Verwaltungsgerichtshof begründet seine Entscheidung mit dem Artikel 75 des Bayerischen Beamtengesetzes. «Soweit es das Amt erfordert, kann die oberste Dienstbehörde nähere Bestimmungen über das Tragen von Dienstkleidung und das während des Dienstes zu wahrende äußere Erscheinungsbild der Beamten und Beamtinnen treffen», heißt es darin. «Dazu zählen auch Haar- und Barttracht sowie sonstige sichtbare und nicht sofort ablegbare Erscheinungsmerkmale.» Damit sei eine rechtliche Grundlage für das Verbot sichtbarer Tätowierungen gegeben.

Die Vertreter des Freistaates argumentierten vor Gericht, der Vorsprung an Respekt, den ihre Uniform Polizisten verschaffe, werde durch sichtbare Tätowierungen «nivelliert». «Es geht nicht darum, irgendwelche verstaubten Moralvorstellungen durchzusetzen», sagte einer der Anwälte. «Es geht darum, den Polizeibeamten zu schützen. Das zählt aus unserer Sicht zur Fürsorgepflicht.»

Vertrauen und Respekt gefährdet?

Diese Argumentation bezieht sich unter anderem auf eine Studie der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz, wonach Vertrauen und Respekt der Bürger sinkt, wenn ein Polizist sichtbar tätowiert oder gepierct ist. Laut Untersuchung steigt damit auch das Einsatzrisiko des Beamten, weil sich manche Bürger eher widersetzen könnten.

Für die Studie waren 241 zufällig ausgewählte Bürger zwischen 13 und 81 Jahren befragt worden. Der Anwalt des Polizisten Prichta betonte vor Gericht, die Studie sei nicht repräsentativ, und beantragte, ein Marktforschungsinstitut mit einer entsprechend breiter angelegten Studie zur Akzeptanz von Tätowierungen in der Bevölkerung zu beauftragen. Der Gerichtshof lehnte den Beweisantrag ab.

«Ich denke, es gibt einige Kolleginnen und Kollegen, die jetzt enttäuscht sind», sagt Rainer Nachtigall, der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft. «Wir haben jetzt unterschiedliche Rechtslagen in unterschiedlichen Bundesländern.»

Erst Ende September hatte das Verwaltungsgericht in Magdeburg entschieden, dass ein Polizei-Anwärter in Sachsen-Anhalt, der sich eine vermummte Gestalt und das Logo des 1. FC Magdeburg auf die Wade tätowieren ließ, nicht deshalb abgelehnt werden darf. Kurz zuvor hatte das Oberverwaltungsgericht im westfälischen Münster in einem ähnlichen Fall ganz ähnlich entschieden. Ein großer Löwenkopf auf dem Unterarm war für die Richter kein Grund, einen Bewerber vom Polizeidienst in Nordrhein-Westfalen auszuschließen.

Einer Polizei-Anwärterin mit auffälligem Tattoo erging es in Hessen dagegen anders: Sie hatte sich den Spruch «Bitte bezwinge mich» sichtbar tätowieren lassen. Das war dann doch zuviel, urteilte der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel.

Ausschlusskriterium beim Bewerbungsverfahren

Laut einer Studie der Uni Leipzig aus dem vergangenen Jahr ist inzwischen jeder fünfte Deutsche tätowiert. Und es werden mehr. Von den pro Jahr zwischen 6000 und 8000 Bewerbern für den Polizeidienst in Bayern seien 300 bis 400 sichtbar tätowiert, sagt Nachtigall von der Polizeigewerkschaft nach dem Münchner Urteil. «Die schauen wir uns nicht einmal an – unabhängig davon, welche Qualifikation sie haben und ob sie gute Polizisten werden können. Man wird sehen, wie lange die bayerische Polizei sich diese Haltung noch leisten kann.»

In Berlin hat die Polizei ihre Haltung inzwischen schon ganz offiziell geändert. In einem Bewerbungsaufruf der Hauptstadt-Polizei hieß es: «Die Polizei Berlin ändert ihren Umgang mit Tätowierungen!» Ausnahmen: extremistische, sexistische, gewaltverherrlichende und religiöse Motive.

Ein Umzug nach Berlin komme für ihn aber trotzdem nicht infrage, sagt der sichtlich enttäuschter Jürgen Prichta nach der Entscheidung, die er nicht verstehen kann. «Ich bin deswegen weder ein schlechterer Mensch noch ein schlechterer Polizist, nur weil ich Farbe am Arm habe.» Eine Tätowierung an einer anderen, weniger auffälligen Stelle sei keine Alternative. «Da wird der Platz knapp.» Prichta hatte beim Polizeipräsidium eine Erlaubnis für das Tattoo beantragt, die wurde abgelehnt. Dagegen klagte er – und wird nun auf «Aloha» verzichten.

Fotocredits: Britta Schultejans
(dpa)

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