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Waldenbuch – Einhorn-Bratwurst in pink, Pferdehufgel mit Einhorn-Glitzer, Einhorn-Klopapier mit Zuckerwatte-Duft und sogar Einhorn-Kondome: Die Huftiere mit dem Horn auf der Stirn landen derzeit in unzähligen Einkaufskörben.

«Das ist der Wahnsinn. Die Produkte laufen richtig gut», sagt zum Beispiel Christian Gossens, Inhaber einer Edeka-Filiale im nordrhein-westfälischen Hückelhoven. Mehr als 30 Einhorn-Produkte hat Gossens im Regal. «Meine Kunden scherzen schon, das „E“ in meinem „Edeka“ stehe eigentlich für «Einhorn».» Gossens schüttelt ungläubig den Kopf über den Hype, der bei ihm kurz vor Karneval losging und noch immer nicht abebbt. «Aktionsprodukte gab es sonst vielleicht mal bei einer Fußball-EM oder -WM. Aber sowas wie jetzt habe ich noch nie erlebt.»

Einige der Einhorn-Produkte – etwa das Klopapier – kommen von der Firma Metsä Tissue im rheinland-pfälzischen Raubach. Die Firma betreibt eigene Markt- und Designforschung und ist vor einigen Monaten auf den Hype aufgesprungen. «In den meisten Fällen handelt es sich um Aktionsware: Mit Verpackungskonzept, Prägung, Bedruckung oder extra Duftstoffen», sagt Geschäftsführer Christoph Zeiler.

Marketingexperte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU in Vallendar erklärt, dass der Trend so gut funktioniert, weil die Kunden positive Assoziationen mit Einhörnern verbinden: Kinderträume, nicht erwachsen werden, Hoffnung, guter Ausgang. «Die Idee ist aus der Interaktion mit Kunden entstanden. So etwas lässt sich online leicht und schnell realisieren, so dass man auf aufwendige Befragungen verzichten kann.»

Tatsächlich war es ein Marketing-Coup des Schokoladenherstellers Ritter Sport, der das Einhorn in die Supermärkte galoppieren ließ. Kunden hatten die Sorte in sozialen Medien angeregt, das Unternehmen brachte eine Limited Edition heraus – Fassnacht: «der älteste Marketingtrick der Welt» -, dann legten begeisterte Fans die Homepage des Unternehmens lahm. «Unsere Server sind zusammengebrochen, in den ersten Sekunden nach dem Freischalten hatten wir mehr als 150 000 Bestellversuche», sagt Sprecher Thomas Seeger.

Seeger weiß um die positiven Effekte auf die Marke Ritter Sport aufgrund des kostenlosen Marketings durch die Kunden, die Selfies mit den Tafeln posteten und Videos teilten. «Solche Aktionen laden die Marke neu auf, halten sie modern.» Der klassische Esser von Ritter Sport, das im baden-württembergischen Waldenbuch sitzt, sei im Schnitt nicht so jung und männlich. Nun habe man auch die junge und weiblichere Zielgruppe ansprechen können.

Der Werbepsychologe Joost van Treeck von der Hamburger Hochschule Fresenius pflichtet bei. «Die Marken zeigen mit den Einhörnern auf der Verpackung, dass sie jung, frisch und auch witzig sein können.» Sie versuchten zu vermitteln: Wir sind nicht die große Marke und du der kleine Konsument, sondern wir können miteinander reden. «Die Tendenz ist generell, dass Firmen durch Interaktion mit Kunden eine weiche emotionale Seite einer sonst unnahbaren Firma zeigen wollen.»

Auch beim Gewürzhersteller Ankerkraut funktioniert das Einhorn als Zugpferd. «Plötzlich haben Barbecue-Fachhändler angerufen, und hysterische Mädchen standen in unserem Shop und wollten das haben», sagt Anne Lemcke von dem Unternehmen aus dem niedersächsischen Jesteburg. Dabei habe sie zu Rohrzucker nur ein bisschen Kirschpulver und Kokosblütenzucker hinzugegeben. «Es war als Gag gedacht. Das ist nicht die beste Gewürzmischung, die wir haben.»

Die Einhorn-Herde wird unterdessen immer größer: Katjes hat sein Fruchtgummi-Sortiment erweitert, mit sauren Zuckerkristallen als «feinem Feenstaub». Von Zwönitzer gibt es ein Einhorn-Bier mit Himbeergeschmack – «das letzte seiner Art». Beim Discounter Lidl stehen Einhorn-Smoothies, Einhorn-Kekse, Einhorn-Pralinen und Einhorn-Joghurt in den Regalen. Die Unternehmen reizen das Machbare bis zur Schmerzgrenze aus.

Lange gehe das nicht mehr so weiter, sagt Zeiler von Metsä Tissue. «Einhörner sind scheue Wesen, die sieht man kurz und dann verschwinden sie wieder.» Deswegen müsse bald eine Alternative auftauchen. Werbepsychologe Joost van Treeck weiß auch, warum: «Wenn etwas nicht mehr frisch, unverbraucht, informell ist, dann wird es langweilig.»

Marketingexperte Fassnacht sieht schon klare Anzeichen dafür, dass der Trend zu Ende sein dürfte. So habe etwa die Drogeriemarktkette dm mit der Eigenmarke Balea ein Duschgel mit zwei Dinosauriern in die Regale gestellt. Eines der Tiere hat kunterbunte Farben ums Maul. Das andere fragt: «Hast du das letzte Einhorn gegessen?» Zwar verneint der Dinosaurier das – dennoch heißt das Produkt mit Verweis auf das englische Wort für Einhorn «Bye Bye Unicorn». dm-Geschäftsführerin Kerstin Erbe sagt: «Wir haben das Einhorn noch einmal ironisch aufgegriffen – nun sind wir auf der Suche nach den nächsten Trends.»

Fotocredits: Clemens Bilan,Ritter Sport,Oliver Berg,Oliver Berg,Oliver Berg,Oliver Berg
(dpa)

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