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Schondorf – Mit dem Ende von Modediktaten ist nach Ansicht des Pforzheimer Professors und ehemaligen Designers Johann Stockhammer auch das Ende von eindeutigen Trends gekommen.

«Jetzt gibt’s ja alle Trends gleichzeitig», sagte der Studiengangleiter Mode an der Hochschule Pforzheim der Deutschen Presse-Agentur. Zudem werde beim Design viel abgekupfert. «Jeder zitiert jeden.» So beschwerten sich viele Baden-Württemberger, dass auf dem Volksfest Cannstatter Wasen «Dirndl-Kopien vom Oktoberfest» zu sehen seien.

Auch Trachtenmode sei immer ein Thema. Der hat sich auch die aus Hamburg stammende und jetzt am bayerischen Ammersee lebende Designerin und gelernte Maskenbildnerin Caroline Herrmann-Lauenstein verschrieben.

Trachtenmode neu gemixt

«Trachtenstoffe und Dirndl habe ich immer schon gemocht.» Das Problem in ihrer Heimatstadt: «Das zieht man in Hamburg letztlich nicht an.» Sie ist inzwischen in Süddeutschland, Südtirol, der Schweiz und Österreich mit ihrer Mode vertreten. Dabei verbindet sie Stilelemente aus Bayern und dem Norden. Auch ihre Modelle seien schon kopiert worden – aber auch schon an Promi-Frauen gesichtet.

Es ist ein bisschen die Verwirklichung eines Kindheitstraums, das Modell «Griasnockerl» oder auch das weit schwingende «Kaffeehaferl» – kein Kaffeeklatschmenü, sondern Trachtenröcke. Elemente der Herkunftskultur mit den Traditionen der neuen Heimat mixen – nichts anderes eigentlich hat Caroline Herrmann-Lauenstein gemacht.

Ihre Trachtenröcke haben Hamburger Migrationshintergrund, wie sie selbst. Die 52-Jährige lebt im schönsten Oberbayern, in Schondorf am Ammersee, stammt aber aus der Hansestadt. Zunächst führte der Weg der gelernten Maskenbildnerin etappenweise von Eimsbüttel bis Eppendorf.

Bis sie am Thalia-Theater einen Herrn aus München kennenlernte. Als dann der Nachwuchs kam, stand die Familie vor der Frage: Nordseeinsel oder Bayern? Der Ammersee war beiden schon bekannt, sie hatten Freunde dort. In der neuen Heimat entdeckte Herrmann-Lauenstein die Liebe zur Trachtenmode neu. «Trachtenstoffe und Dirndl habe ich immer schon gemocht, aber das zieht man in Hamburg letztlich nicht an.»

Alltagstauglich

In Bayern angekommen, kaufte sich die Großstädterin dann gleich mehrere Dirndl, die sie aber mangels Gelegenheit kaum anzog. Sie wollte etwas, das man häufiger tragen kann – mit Trachtenelementen, aber nicht so, dass man gleich gefragt wird, ob man aufs Oktoberfest geht. «Dann habe ich für mich einen Rock genäht, und daraus ist eine Leidenschaft geworden.»

Irgendwann ging sie mit ihren Modellen auf einen Kunsthandwerkermarkt und wurde von einem Ladenbesitzer angesprochen. Inzwischen ist sie in zahlreichen Geschäften in Süddeutschland, Österreich, Südtirol und der Schweiz mit ihren Kreationen vertreten. Die tragen so kreative wie beredte Namen wie Erdbeerkuacha, Sommagwitta, Brausebuiva, Himbeerkracherl oder, etwas missverständlich, Auszogne. Die Namen vergibt Herrmann-Lauensteins Mann, der des Bayerischen immer noch mächtiger ist als die «Rockmacherin», wie sich die jugendlich wirkende Designerin nennt.

Was macht nun ihren bajuwarisch-hanseatischen Stilmix aus? «Dass ich nicht hier Wurzeln habe, sondern woanders, hat mir vielleicht die Freiheit gegeben, was zu interpretieren, was es noch nicht gab.» Die Farbzusammensetzung etwa spielt bei ihr eine wichtige Rolle, wenn aus 20 Orangetönen nur der eine passende ausgewählt wird.

Modebranche

Die Modebranche habe sich schon immer traditioneller Elemente bedient, erklärt Stockhammer. Auch bei Trachten werde abgekupfert: «Jeder zitiert jeden.» So sei dies auch kein aktueller Trend, sondern «schon immer da». Es herrsche ein Eklektizismus in der Mode.

Der Designer Dries van Noten etwa «zitiert immer irgendwelche Trachten», auch bei Gucci seien sie schon Thema gewesen. Vor allem das Spiel mit der Trachtenmode habe zugenommen, bestätigt Tanja Croonen, PR-Referentin beim GermanFashion Modeverband Deutschland. «Auf der Fashion Week sieht man auch diesen Style.» Zu Oktoberfestzeiten ziehe sich das durch das ganze Land. Es werde aber alles modischer interpretiert, nicht nur als Ausdruck von Tradition. Dies spreche auch deutlich jüngere Zielgruppen an.

Zwei Mal im Jahr bringt Herrmann-Lauenstein mittlerweile eine neue Kollektion heraus, im August kommt die für den Sommer 2020. Mit ihr selbst arbeiten vier Menschen in der Schondorfer Musterwerkstatt. Produziert wird nur in Bayern, die Stoffe stammen teilweise auch aus Österreich. Das hat seinen Preis, aber das erste Urteil der Freunde, «das wirst du nie los», hat sich nicht bewahrheitet. «Trachtenmenschen sind viel qualitätsbewusster.» Auch die norddeutschen Freunde und Familienmitglieder tragen ihre Mode, die mittlerweile auch Blusen, Dirndl und «Mannszeug» beinhaltet.

Manchmal ist dann wieder ein norddeutsches Element vertreten. So inspirierte ein Bekannter, der in einem Besamungsbetrieb tätig ist, mit seiner an Fischerhemden erinnernden Arbeitskleidung die Designerin zum Modell «Alois», genäht aus dem Stoff «Regatta». Der Besamer selbst sprach einfach vom «Melkhemd», erinnert sich Herrmann-Lauenstein lachend. Auch in der neuen Sommerkollektion sind maritime Anleihen zu finden, im «Rapsfaid» etwa. In den Norden fährt die Rockmacherin immer noch «wahnsinnig gerne», sie nennt ihn noch ihre Heimat. Zuhause aber, das ist der Ammersee.

Fotocredits: Lino Mirgeler
(dpa)

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